Warum ein 30 km - Vorbereitungslauf doch zu wenig ist .....
Eigentlich hatte ich nicht vor in Berlin zu laufen, weil ich ja im letzten Jahr schon dort war und das erste mal seit meiner Radiergummi-Zeit unter viereinhalb Stunden geblieben war. Und vier Wochen später in Frankfurt fiel die Bestzeit dann schon wieder. Da hatte ich nicht vor sie wieder anzugreifen; auch ob des ganzen Stress der mit dem neuen Procedere der Anmeldung verbunden war.
Also plante ich dann die 24h-Staffel in Bernau Anfang September und dann den Halbmarathon in Amsterdam wo ich wieder mal auf Bestzeitjagd gehen wollte. Ne Woche später Frankfurt, verbietet sich ja dann schon, obwohl ich auch dort wieder eine Startnummer für lau bekommen habe. Irgendwie hab ich in diesen Sachen zur Zeit einen Lauf.
Einen Tag vor meinem Geburtstag, am späten Nachmittag des 29. August, saß ich in meinem Büro und surfte wieder mal etwas im Internet (mach ich ja eher selten ). Ich spionierte wieder mal im Wichtigtuer-Forum der deutschen Ausgabe eines Lebensstil-Magazins und las gerade einen Faden wo es um die Galloway-Methode (laufen und gehen im Wechsel) ging. Dort wurde auf einen Herrn "rennender Willi" hingewiesen. Den kannte ich noch nicht also fragte ich Tante Google und landete auf seiner Seite. Ganz oben begrüßte mich der Hinweis, man habe mal wieder von der Firma Adidas zwei Startplätze für Berlin erhalten können und die Anmeldecodes befänden sich weiter unten und noch der Hinweis " Wer zuerst kommt malt zuerst" und "viel Glück". Na da hab ich mal spaßeshalber den ersten Code genommen und auf dem angegebenen Anmeldelink meine Daten eingegeben. Und siehe da; ich war angemeldet - für Null Euros .......
Erst wollte ich ja nicht und machte erstmal Bernau. Dort bequatschte mich schon unsere Radiergummi "Rennente" vielleicht ja doch und so .... es arbeitete in mir. Und langer Rede kurzer Sinn: zweieinhalb Wochen vor Berlin entschied ich mich für den Start. Aaaaber - den letzten 30 km oder länger Lauf habe ich Ende April gemacht - das war der London Marathon. Gut da war noch Bernau - insgesamt 35 km aber mit langen Pausen zwischen den einzelnen 1,6 km Abschnitten. Also konnte es ja nur eine laufende Stadtbesichtigung werden - einfach Spaß haben. Ob ich das kann ?
Da mein Schatz aufgrund einer Fortbildung auf keinen Fall mitkonnte, was sehr schade und völlig fremd für mich war, suchte ich schnell die günstigste Transportmöglichkeit. "MeinFernbus" ab Dortmund bot sich an - für nen Fuffi hin und zurück waren super. Eine Anfrage bei Fressenbuch und in unserem Radiergummi-Forum brachte mir auch spontan einen Schlafplatz. Ich freute mich riesig, dass ich bei Elke , einer gaaaanz lieben Super-Läuferin aus Falkensee spontan ein Bettchen angeboten bekam. Sogar eine private Nudelparty bei ihr im Garten mit den tollen Leuten vom Lauftreff Nauen-Falkensee sollte es noch geben. Und Radierer sollten auch noch dabei sein - was ein Fest ! Was freute ich mich.
Ein 30er musste ganz schnell aber noch her. Zwei Wochen vorher bot sich der "Schwerter Hospizlauf" an. Ein Benefiz-Lauf auf einer 750 Meter Runde durch die Stadt - wandernden bestockten Hindernissen auf dem Kurs - super das schult die Koordination. Da gleichzeitig noch der Halbmarathon für die 10-Kampf-Wertung des Kilometerspiels anstand, lief ich die ersten 21,1 km etwas flotter, also so um die 2:14 h. Es war recht kühl und es fühlte sich super locker an. Ich dachte mir wenn es so am Marathonsonntag wird, dann wird das toll. Etwas langsamer ging es weiter und die 30 wurden gut absolviert. Mehr wollte ich nicht. Es ist ja sowieso bekannt, dass ich bezüglich der Vorbereitung von uns Radiergummis und Laufschnecken auf einen Marathon, eine andere Meinung vertrete als zum Beispiel die Besserwisser aus dem genannten Spinnerforum; meiner Meinung nach machen sich die Langsamen zu oft mir zu vielen und zu langen Vorbereitungsläufen platt.
Mein spontanes Traum-Wochende .....
Es begann am Samstag morgen gegen 8 ! Was für eine Uhrzeit. Totmüde ob des wenigen Schlafes in der ganzen Woche wankte ich zum Busbahnhof in Dortmund. Mein Schatz brachte mich zum Bahnhof. Es war saukalt und der Bus fuhr ca. 15 Minuten später ab. Ansonsten war der Doppeldecker nur halb voll und man hatte viel Platz. Leider kamen wir noch in einen ca. einstündigen Stau weil es einfach zuviele gibt; was ich immer wieder bei der Gelegenheit bemerke. Nicht erkennbar ist auch wozu die alle immer in die gleiche Richtung wie ich fahren müssen und vor allem, warum die zu blöd fürs Reisverschlussverfahren sind und trotzdem aus Mitleid einen Führerschein bekommen haben. Der Bus hatte sogar WLAN, was mir nichts nutzte da ich kein Schlautelefon und auch ken Tablett habe (will na nix servieren). Als zwei Tussen neben mir den Busfahrer nach einem WLAN-Kabel fragten biss ich auf die rausklappbare Ablage um nicht laut loszulachen .... Leider kam der Bus mit anderthalb Stunden Verspätung an und ich konnte die Verspätung aufgrund kaputter SMS-Funktion meines Händchens nicht zeitnah melden, denn ich wurde erwartet ! Ein vierköpfiges Empfangskomitee des LT Nauen-Falkensee mit Elke erwarteten mich um mir den Weg zur Messe zu zeigen .... das ist mal ein toller Service.
Auf der Messe angekommen war es gar nicht mehr so voll wie in den Foren angedroht. Schnell kamen wir zur Startnummernausgabe und ich hatte die Nummer F11172 .... die fünfstelligen 11er waren scheinbar alle für die ganz späten "Kostenlos aber nicht umsonst"-Starter. Da war er dann aber der erste Stau. Oh dieses Armband dachte ich - die Veranstalter wollten ganz sicher gehen. Als ich dann vorne in der Schlange war erfuhr ich dann dass die keine Bändchen mehr hatten - man soll seinen Personalausweis mit zum Startbereich am Sonntagmorgen bringen ..... was ein Chaos. Später erfuhren wir, dass die irgendwann angefangen haben, stattdessen Kreuze auf die Startnummern zu machen ... wir hatten aber kein Kreuz bekommen, was am Eingang noch eine kurze Diskussion geben sollte. Schnell ging es weiter über die Messe, weil Elkes Nudelparty schon lief und die ersten Gäste schon eingetroffen sind. Ihr lieber Mann sollte sich aber rührend um die Gäste kümmern. Wir machten noch einen Abstecher in den Jubilee-Club wo es einen leckeren Kaffee gab. Elke läuft sage und schreibe zum 21. Mal in Berlin mit ! Sie gehört zum Inventar. Am Ausgang bekomme ich noch eine leckere warme Brezel - ohne die geht es nicht und ab in den Zug nach Falkensee.
Angekommen an Elkes gemütlichem Häuschen wird mir sofort ein warmer Empfang bereitet. Ein Zelt ist aufgebaut mit Holzbänken und es duftet nach leckerer Soße. Elke zeigte mir mein Bettchen für die Nacht. Ich habe sofort das Gefühl dazu zu gehören. Richtig schön ist das. Und da sind auch schon die anderen Radiergummis da .... in Form von Thomas, Petra, Katrin und natürlich Jeanette, die auch in Elkes Lauftreff ist. Um die 70 Leute führt Elke regelmäßig um den schönen Falkensee. Es wird natürlich viel gequatscht übers Laufen über morgen und die Ziele - Hartmut hat auch einige herrlich scharfe Soßen kreiert.
Später stehen wir noch um ein Feuer bis ich dann nochmal meinem Schatz per Händchen gute Nacht sage. Schade, dass er nicht da ist. Ich habe Elke einen leckeren Rotwein mitgebracht - den leeren wir noch mit den anderen Nachtgästen, denn Elke sagt: Rotwein macht schnell .... dieses Dopingmittel werde ich demnächst öfter nutzen, das steht fest.
Kurz nach 5 ! kommt Elke ins Zimmer um mich zu wecken und das Frühstück zu bereiten. Dass diese Uhrzeit existiert, wußte ich bis dahin gar nicht. Ich habe sehr gut geschlafen und habe ein wenig Schwierigkeiten hochzukommen. Ab ins Bad und dann gibt es ein leckeres Frühstück in netter Runde. Auf dem weg zum Bahnhof merke ich sofort, dass ich wie schon in der letzten Woche in ziemlich guter körperlicher Verfassung bin. Ganz entspannt stehen schon viele LTler am Bahnsteig. Die Beutel geschultert und ich noch den Rucksack fahren wir mit dem noch nicht vollen Zug Richtung Hauptbahnhof. Überall macht Elke Fotos - das wird schön die hinterher zu betrachten. Am Bahnhof gebe ich meinen Rucksack ab, weil der nicht in den Beutel passt und wandere den Anderen hinterher - eine Cafe zum Gehen auf der Hand - die sich vor Angies Palast treffen. Auch dort geht es entspannt zu und es werden noch Fotos gemacht.
Noch nie bin ich mit so wenig Stress zum Start gekommen. Das ist dann doch der Vorteil - ich überlege noch ob das was für die Leistung bringt und da ist es schon passiert: In dem Moment hab ich mal wieder den Plan, hier einen reinen Spaßlauf zu machen, über den Haufen geworfen. Ob ich sowas überhaupt kann ? Vielleicht nächstes Jahr in Hamburg wenn es eh zu warm ist, aber hier und jetzt ? Menno es sind ca. sieben oder acht Grad und wann kriegt man schon so tolle Bedingungen ? Gut die Vorbereitung war Mist, aber so wie ich nunmal bin, entscheide ich mich für den Husarenritt.
Allein gegen Wilson und Irina ....
Am Eingang gibt es noch einmal Diskussionen weil wir kein Kreuz auf der Startnummer haben. Obwohl ich meinen Pass vorzeige will man mich nicht durchlassen - was ein Schrott. Elke schimpft mit den Ordnern und sagt wir machen gleich das Kreuz selbst drauf. Das überzeugt sie dann von dem Unfug. Ich habe eine alte Hose und eine alte Jacke über meinen kurzen Laufsachen und werde sie am Start ablegen. Es ist ja noch über ne Stunde. Wir geben die Sachen ab, trinken noch was und machen Pipi im Busch. Elke sagt die schaffen es eh nicht den ganzen Tiergarten abzusperren - schaffen sie auch nicht. Elke und ich sind im Block G; die Anderen entweder im Block H oder weiter vorne. Der LT hat auch viele Bleistifte dabei. Elke ist ja auch sauschnell und ich hätte nur eine Chance mich an Elke dranzuhängen, wenn sie nicht voll läuft und ich vernünftig vorbereitet bin. Darum lass ich das mal lieber. Am Start gibt es dann doch auch noch recht freie Dixies. Da keine Schlange davor ist, entkleide ich mich lieber im Sitzen.
Erwartungsfroh stehen wir nun im Startblock. Wir sind doch relativ dicht am Start so dass man den Sprecher recht gut hört. Das Gänsehaut-Gefühl ist wieder da - wieder bin ich dabei beim größten und tollsten Lauf, den wir in Deutschland haben. Man sieht fast nur in lächelnde Gesichter. Links stehen die Ballon-Läufer für 4:00 h und 4:15 h. Ja der 4:15er ist der, den ich mir in den nächsten Jahren vornehmen werde und irgendwann, das steht fest für mich, schaffe ich den auch ..... ist ja nur schlapper 6er-Schnitt. Die Spitzenathleten werden vorgestellt und zum Jubiläums-Marathon sind alle Weltrekordhalter auch noch da und jubeln den Startenden von der Tribüne aus zu. Schon wird gezählt .... 10, 9, 9 ...... Knall ! Die erste Welle ist unterwegs. Gleichzeitig wurden tausende von Luftballons losgelassen. Was für ein Anblick. Alle klatschen und tanzen. Natürlich wollen wir jetzt auch los, aber es wird noch eine Weile Dauern. Aber schon nach ein paar Minuten lässt man uns nach vorne gehen. Elke und ich wünschen uns Glück und verabschieden uns. Die letzten Kleidungsstücke und dekorativen Müllbeutel werden abgeworfen und schon knallt es zum zweiten Mal. Langsam setzt sich das Feld in Bewegung und bis zur Startlinie gehen alle.
Dann bin ich an den roten Matten und vor mir piept es - ich gehe in den Laufschritt. Elke ist schon drüber. Ich drücke meinen Forly an und schaue nach rechts zur Tribüne. Aber schade - ich kann Haile nicht entdecken. Naja ich winke trotzdem und laufe wie immer weit rechts mein Tempo an. Von Anfang an kann ich frei und ohne Stau laufen - das Feld läuft auch durchgehend mein Tempo. Wieder ein Zeichen dass es richtig ist, sich ein klein wenig schneller anzumelden als die Zielzeit weil man dann wirklich optimal wegkommt. Ich laufe so schnell dass es sich locker und nach Trainingslauf anfühlt, aber nach 1,5 km sehe ich Elke immer noch kurz vor mir. Daher schaue ich auf die Uhr und sehe .... weit unter 6min pro km .... viel zu schnell. Na das blöde Adrenalin halt - ich weiß dass mir das die wertvollen Kohlehydrate aus den Beinen zieht und ich beginne permanent auf die Bremse zu treten. Trotzdem komme ich bei 5 km in 30:22 min. an. Im Kopf rechne ich normalerweise sehr viel und kenne genau die Zeiten. 32 wären schnell genug für sub 4:30 h aber ich bin deutlich schneller unterwegs. Aber es fühlt sich sooooo locker an - ich könnte glatt auf 5:40/km gehen aber hier ist ja leider nicht nach 21 km Schluss und das wäre läuferischer Selbstmord.
Die Stimmung hier im Tiergarten ist etwas ruhiger, denn die Zuschauer stehen nicht so dicht. Ganz anders als in London wo sie 42 km Spalier stehen und die ganze Zeit brüllen. Aber trotzdem ist Berlin superklasse und ich freue mich auf das was noch kommt. Bei km 7 kommen wir wieder am Hauptbahnhof vorbei und laufen in den Ostteil der Stadt. Den Verpflegungsstand bei km 5 hab ich links liegenlassen weil es halt schön kühl ist und überlege ob ich bei 10 km halten soll. Ich möchte ja an jedem Verpflegungsstand eine ganze Minute gehen weil sich das prima bewährt hat. Ich kann anschließend wieder viel flotter durchlaufen, so dass man eigentlich gar keine Zeit verliert. Aber ich halte auch am 10er nicht und bin in 61:10 min. an dieser Marke durch. Kurz dahinter - also kurz vor dem Fernsehturm suche ich gespannt nach Thomas und Petra von den Radierern, die dort stehen wollen. Dann sehe ich sie, klatsche ab und bleibe nochmal stehen für ein Foto. Man macht das Spaß heute wieder. Und noch ist es wie es sein soll - nix tut weh und es fühlt sich an wie gerade erst losgelaufen.
Das Feld ist immer noch sehr dicht und die meisten Läufer sehen noch super locker aus. Überhaupt sieht man bis zum Ende kaum Läufer die gehen (müssen). Unter 4:30 h schafft man auch schlecht mit viel gehen. Ich laufe am Anfang immer mal wieder zu einem bekannten 4:15er-Zugläufer auf - Kalle - ein supernetter Typ den ich von mehreren Berlin-Aufenthalten kenne. Auch einen Hitzelauf an der krummen Lanke haben wir schon gemeinsam gemacht. Das sollte aber bald vorbei sein, denn ich überhol die Gruppe jeweils am Verpflegungsstand, da ich ja erst an der 15er-Marke das erste mal von meiner inneren Rennleitung den Ruf "Box Box Box" auf die Ohren bekommen werde. Vor dem Kottbusser Tor ist es dann soweit. Ich biege in die Box ab, nehme aber nur einen Becher Wasser und gehe eine Minute. Herrlich in Ruhe zu trinken ohne sich zu verschlucken. Obwohl die Markierung erst hinter der Verpflegungsstelle ist, laufe ich diesen Abschnitt in 31:11 min. - supergut. Zu der Zeit denke ich kurz daran, dass garantiert wieder die anderen Radiergummis alle meine Zwischenzeiten beobachten und mein Schatz auch. Die werden wieder denken - meine Güte was hat die wieder vor; die wollte doch langsam laufen. Ich bin ungefähr bei km 16 als ein Sprecher etwas von "historischer Moment" und "sportgeschichte" erzählt. Sofort denke ich mir dass der Sieger im Ziel ist - mit neuem Weltrekord. Nach dem Rennen erfahre ich, dass Wilson Kipsang mich mit 02:03:23 h mal wieder geschrubbt hat. Phänomenal ! Auch das ist Berlin und das ist Marathon - in einem Rennen mit dem Weltrekordler - "wir sind Weltrekord" !!! Neukölln und Kreuzberg werden nun passiert; hier ist es etwas wieder ruhiger. Fast ist es so als ob die Mitläufer nun in ihre meditative Phase eingetreten sind. Drei Tuben Aktiv-3-Gel habe ich dabei. Ich bin jetzt nicht von der Wirkung des Gels überzeugt, aber der Psyche hilfts vielleicht. An der nächsten Box in Schöneberg nehme ich dann Wasser und eine halbe Tube von dem Zeug. Den Rest dann erst nach der Hälfte. Bei 20 km ist der letzte Abschnitt in 30:59 min. absolviert. Das läuft ja bombig. Immer noch geht es mir spitze, was den Kilometer zum Halbmarathon noch schneller macht und ich knalle da in 02:09:54 h durch. Total irre .... schon 5 Minuten "Guthaben" auf die 4,5 Stunden, wenn das mal gutgeht. Aber vielleicht gehts mit einem 30er viel besser als mit mehreren denke ich kurz, aber weiß natürlich genau, dass der Marathon erst anfängt.
Aber das Wichtigste ist, dass es immer noch einen Riesen-Spaß macht hier in dieser tollsten Stadt Deutschlands zu laufen. Am Rathaus Schöneberg ist die Stimmung wie immer großartig. Kinder stehen hier und wollen abgeklatscht werden. Ja das ist Party hier ! So vergeht die Zeit bis Kilometer 25 auch noch sehr sehr schnell. Wieder Box und noch ein Gel und der nächste 5km-Abschnitt in 31:01 min. absolviert. Es fluppt immer noch wie nie. Wahrscheinlich auch super richtig, dass ich am Dienstag das letzten Mal ein paar Kilometer gejoggt bin. Wenn man nicht mehr zu den Jüngsten gehört sind die Regenerationszeiten enorm wichtig. Schon freue ich mich auf den "Wilden Eber" - angeblich soll da der innere Schweinehund warten. In der neuen Streckenführung schon bei Kilometer 28 - früher als der Start noch am Reichstag war, war der Eber viel viel später und bei 28 wirds ja noch nicht wirklich schwer. Dennoch kommt es mir langsam so vor als würde es doch hin und wieder bergauf gehen, was natürlich von der beginnenden Müdigkeit rührt. Daher wird der Abschnitt jetzt mit 31:44 min. etwas langsamer aber bei km 30 bin ich in 03:06:05 h. Das sind glatt 6 Minuten unter 6:24er-Zieltempo und gibt ne granatenmäßige Endzeit wenn ..... ja wenn ich nicht wesentlich langsamer werde.
Bald biegen wir auf den Kudamm ein wo die ganze Zeit die Leute stehen. Etwa in der Mitte gibt es einen Verpflegungspunkt und ich renne durch; später erfahre ich dass es da Kola gegeben haben soll. Die Leute stehen hier wieder dichter und machen tolle Stimmung. Sambagruppen und Bands sind sowieso auf der ganzen Strecke verteilt. Es ist nicht zu beschreiben wie mich das motiviert; der Kudamm geht gefühlt wieder bergab. Auf einer Video-Leinwand kann man motivierende Sprüche lesen, die Angehörige einem vorher im Internet eingegeben haben. Der Chip meldet wann man an der Stelle ist und der Spruch erscheint. Ich sehe meinen Spruch nur kurz von weitem und da ich leicht kurzsichtig bin, kann ich ihn nicht entziffern. Als ich nah genug dran bin, ist er schon weg. Schade ! In Tauentziehen nach der Gedächtniskirche ist dann wieder eine Box. Das zweite Gel ist längst Geschichte und ich greife zum dritten und letzten. Der 5er-Abschnitt auf km 35 ist nun mit 32:22 min. das erste mal eine knappe halbe Minuten langsamer als der meine Orientierungsmarke für die 4,5 h - es wird langsam deutlich schwerer. Jedes kleine Brückchen kommt mir nun wie der Mount Everest vor. Ich ziept die linke Wade hin und wieder und deutet etwas krampfmäßiges an. Ich muss langsamer laufen und es vergeht. Aber es ist jetzt sehr sehr zäh. Am Potsdamer Platz ist ein Erfrischungspunkt und da nehme ich nochmal Wasser und den letzten Gel-Rest. Bei km 38 schaue ich auf die Uhr und rechne. Mist - wenn ich jetzt nur noch 7er-Tempo laufe - und danach fühlt es sich an - dann komme ich nur noch mit viel Glück unter die 4,5 Stunden aber die Bestzeit ist jetzt schon so gut wie weg. Doch zu wenig Vorbereitung!
Dieser Abschnitt sollte auch mit 34:39 min. mein langsamster Abschnitt werden. Allerdings bin ich in 04:12:56 h bei km 40 durch und meine spontane kühne Rechnung ergibt noch eine Chance auf eine PB. Boah nur noch zwei Kilometer aber es ist hart - sehr hart. Hier mache ich etwas Wichtiges. Ich verzichte auf die eigentlich geplante einminütige Gehpause und laufe durch. Genau die hier gesparten ca. 30 Sekunden sollten am Ende entscheidend sein. Mit letzter Willsenskraft lief ich die Ecken mit vielen Baustellen am Gendarmenmarkt, Französische Straße .... furchtbare Gegend wenn man keine Bauzäune mag. Als schnell da weg und so ging wieder 6:30er-Tempo. Die Straße Unter den Linden war dann wieder sehr voll mit Läufern, aber toll man sieht schon von weitem das ersehnte Brandenburger Tor. Scheinbar wankte ich etwas, denn ein Läufer hinter mir meckerte ich solle nicht dauernt die Spur wechseln. Doofmann dachte ich mir und rannte unbeirrt weiter auf das Tor zu. Davor standen die Leute wieder dicht und schrien. Ein Blick auf die Uhr zeigte noch was mit 4:24 vorne .... Mensch immer noch irre für die Vorbereitung. Jetzt kann nix mehr passieren.
Es ist immer wieder ein genialer Augenblick durch dieses Tor zu rennen. Immerhin habe ich zu den Auserwählten gehört, die 1990 DAS ERSTE MAL - allerdings von der anderen Seite kommend, kurz nach dem Start - dieses Tor passiert haben. Was hat sich seitdem alles geändert ! Einfach alles ! Nun die schlechte Nachricht - es gibt keine lachenden Zielfotos von mir, weil ich immer noch viel zu konzentriert bin - die Bestzeit im Visier. Bei Kilometer 42 bin ich auf der Zielgeraden und genau bei 04:26:00 h. Mann da geht auch noch was mit ner 04:26 vorne aber das wird bei diesen Puddingbeinen verdammt hart. Gefühlt sprinte ich los und aufs Ziel zu. Im Ziel reisse ich die Arme hoch, denn eines ist klar: Neue persönliche Bestzeit ! In diesen Rennen - so unerwartet wie nie ! .....
Naja die offizielle Nettozeit ist dann 04:27:00 Stunden. Boah eine Sekunde ! Egal ! Die Zeit ist 17 Sekunden besser die in Frankfurt 2012 und ich hab die Bestzeit wieder nach Berlin geholt - wo sonst gehört eine Bestzeit hin ?
Geschafft - Die Nachlese ......
Nach dem Ziel war ich dann zur vorher angekündigten Zeit rechts an der Medaillenausgabe bei Steffen, der mir persönlich meine Medaille umhängt. Man was war das ein schönes Gefühl "Bestzeit" sagen zu können.
An diesem großartigen Tag haben Viele ihre Bestzeit verbessert. Irina Mikitenko lief Senioren-Weltrekord - auch um eine Sekunde besser - ja wir sind auch Weltmeister geworden. Langsam schlich ich weiter den lannngen endlosen Weg zur Kleiderbeutel-Ausgabe. Aber ich hatte eine Folie und ein dämliches Dauergrinsen bei mir. Dann geschah es am Stand mit den Verpflegungs-Tüten: Ich kam auf die dämliche Idee mich neben eine andere Läuferin auf einen bereits geräumten Tisch zu setzen. Kaum saß ich, krampften BEIDE WADEN. und zwar so extrem dass ich laut schreien mußte. Solch schmerzhafte Krämpfe hatte ich noch nie ! Sofort kamen mehrere Helfer und halfen mir die Krämpfe rauszudehnen, was ich kurzer Zeit gelang. Zwei Sanis mit einer Trage waren auch schon da. Nachdem sie mir halfen ganz vorsichtig wieder auf die Beine zu kommen und weiter zu schleichen, konnte ich sie wegschicken. Ich holte mir dann den Kleiderbeutel und war auf einer Parkbank beim Umziehen dann viel vorsichtiger beim Hinsetzen. Ich konnte weitere Krämpfe vermeiden.
Mit einem Erdinger in der Hand wankte ich dann zum Treffpunkt vor Angies Palast, aber nahm blöderweise den Ausgang am Reichstag. Wieder ein Umweg ! Na und dann erreichte ich endlich Elke, die mir half mich auf die Decke zu setzen.
Nach ein paar Salzstangen bedankte ich mich sehr bei ihr für das tolle Wochenende und sie half mir wieder hoch, da ich zum ZOB musste, wo um 16 Uhr mein Bus fuhr. Elke verhalf mir auch noch zu einer zusätzlichen Wanderung, da sie sagte ich solle am Westkreuz aussteigen und von dort zu Fuß gehen. Das dauerte dann schon eine Weile und als ich am ZOB ankam sah ich direkt davor die S-Bahn-Station "Messe". Naja Elke meinte wahrscheinlich ich sollte mich noch etwas auswandern .... die Rückfahrt lief ohne Verspätung, aber der Bus war sehr voll. Ich warnte noch die Umsitzenden vor den Ausdünstungen, was die nicht schockte. Als ich gegen 23 Uhr in Dortmund ankam, wartete mein Schatz schon auf mich und ich wollte jetzt nur noch zwei Dinge: Schnellfutter bei den Schotten und Schlafen. Und was war mein Schatz stolz auf mich - er sagte die Nummer hätte ihn echt beeindruckt. Daß ich das noch kann nach soviel Jahren ..... es war ein wunderbares Wochenende und ich habe es nicht bereut, doch noch nach Berlin gefahren zu sein.
Und so ging es mir dann die kommenden 3 Tage: Klick ! Das ist nicht übertrieben ! Solche Schmerzen habe ich nach einem Marathon noch nie gehabt. Mein Versuch im letzten Jahr, dies mit drei bis vier Läufen um die 30 km als Vorbeitung anzugehen, hat sich für mich als genau richtig erweisen. So werde ich dann nach Hamburg fahren, wofür ich mich heute angemeldet habe ....